Buchvorstellung – Briefe vom Weihnachtsmann (J.R.R.Tolkien)

Foto: Klett-Cotta
Foto: Klett-Cotta

J.R.R.Tolkien ist vielen nur als Autor der Bestseller Der Hobbit und Der Herr der Ringe bekannt. Tolkiens schriftstellerische Ambitionen beschränkten sich jedoch nicht darauf. Denn der Schöpfer von Mittelerde war ein eifriger Briefeschreiber.

Tolkien schrieb einen Haufen Briefe im Laufe seines Lebens. Einen Teil davon findet man in dem gleichnamigen Buch, Briefe, herausgegeben von Humphrey Carpenter.

Eine besondere Auswahl von Tolkiens Briefen finden sich in dem kleinen Buch Briefe vom Weihnachtsmann.

Im Jahre 1920 erhielt Tolkiens ältester Sohn, John, der damals 3 Jahre alt war, am 22. Dezember einen hübschen Brief. Auf dem Absender stand: Weihnachtshaus, Nordpol. Der Brief kam vom Weihnachtsmann, im englischen Original, Father Christmas, genannt. Offenbar hatte der kleine John seinen Vater nach dem Weihnachtsmann gefragt und dieser nutzte seine Kreativität dazu, die Fragen seines Sohnes zu beantworten. Der erste Brief ist recht kurz:

Lieber John, Du hast deinen Vater gefragt, was ich für einer bin und wo ich wohne. Also habe ich mich und mein Haus gemalt, extra für Dich. Pass auf die Bilder gut auf. Zur Zeit bin ich mit einem Sack voller Spielzeug nach Oxford unterwegs – und auch für Dich ist etwas dabei. Hoffentlich schaffe ich es rechtzeitig: Heute Nach fällt am Nordpol dichter Schnee. Dein Dich liebender Weihnachtsmann (S.9)

Mit diesem Brief ging es los. Jedes Jahr konnten die Tolkien-Kinder mit einem, oder gar mehreren, Briefen vom Nordpol rechnen, bis Priscilla, die jüngste der vier Kinder, im Jahre 1943 den letzten Brief erhielt.

Natürlich kamen die Kinder im heranwachsenden Alter hinter den wahren Autor der Briefe, doch wurde aus Rücksicht vor den jüngeren Geschwistern, darüber stillschweigen bewahrt.

Im Buch Briefe vom Weihnachtsmann sind alle Briefe, sowie die Zeichnungen, die Tolkien selbst anfertigte, enthalten.

Wenn es heute immer weniger Menschen gibt, die überhaupt einen handschriftlichen Brief schreiben, so ist es umso faszinierender, wenn man sich anschaut, welche Mühe Tolkien, als vielbeschäftigter Professor, Autor und Familienvater in die Briefe und Zeichnungen steckte.

Von Polarbären, Elbchen und Kobolden

Waren die Briefe anfangs noch recht kurz gehalten, so wuchsen sie über die Jahre. Denn am Nordpol ist anscheinend einiges los. Neben dem Weihnachtsmann spielt der Polarbär, der Gehilfe des Weihnachtsmanns, eine große Rolle. Da gibt es Geschichten über Unfälle mit den Geschenken zu erzählen, Überfälle von Kobolden und weiteres ähnliches mehr. Oftmals wird auf die Ereignisse aus dem Vorjahr zurückgegriffen und auf die Fragen der Kinder eingegangen, die dem Weihnachtsmann wiederum schrieben.

Die Briefe sind recht lustig geschrieben, etwa wenn der Polarbär ebenfalls ein paar Zeilen schreibt und seine Rechtschreibschwäche durchschimmert . Tolkien ließ nicht nur den Weihnachtsmann zu Wort kommen, sondern vor allem Polarbär und später auch Elbchen, den Sekretär. Hier eine Kostprobe der Zankereien zwischen den beiden letztgenannten. Das Elbchen Ilbereth berichtet von einer komischen Episode mit dem Polarbär (dessen Antworten fettgedruckt):

In diesem Augenblick brach der Ast, die Leiter rutschte auf dem Schnee weg, Polarbär fiel in den Baum, blieb an einem Stück Draht hängen, und sein Pelz fing Feuer.

Schlechter Witz.

Zum Glück war der ziemlich feucht, sonst hätte er ganz schön gebrutzelt. Ob Polarbärenbraten wohl gut schmeckt?

Nicht so gut wie ordentlich durchgeprügeltes und gebratenes Elbchen. (S.144)

1938 hatte der Weihnachtsmann keine Zeit für größere Bilder. Stattdessen gab es ein Gedicht. Die Kommentare des Polarbären sind der Hammer.

Auch dieses Jahr, beste Priscilla, wenn du nachts träumst (in deiner Villa),

Gezwungener Reim! Fängt ja gut an!

Im weiteren Verlauf lässt Polarbär sich über die Reimkünste aus, und kommt nicht umhin, manche Zeilen mit einem Peinlich! zu versehen.

Bezüge zur Mittelerde-Literatur flackern nur einmal kurz auf, als der Weihnachtsmann davon berichtet, dass er eine ganze Menge von Der Hobbit verschenkt, den Tolkien-Kindern aber etwas anderes mitbringt, da sie dieses Buch bereits kennen. (S.140)

Wer nur an Frodo & Co. interessiert ist, der wird mit diesem Buch vielleicht nicht so viel anfangen können, wie diejenigen, die sich insbesondere für Tolkien als Mensch interessieren (so wie ich). In diesem Buch bekommt man eine Ahnung davon, wie Tolkien als Vater war, der sich viel Zeit für seine Kinder nahm und hübsche Dinge für sie anfertigte. Zwischendrin erfährt man auch einiges über die Kinder und die Zeit damals selbst. So war ich z.B. erstaunt, welche Sprachen die Kinder lernten, da in einem Brief davon die Rede ist, dass die Tolkien-Kinder Französisch, Griechisch und Latein gelernt haben! (S.97)

Alles in allem ist das Buch gelungen. Es liest sich lustig und ist optisch schön anzuschauen. Wer gerne mehr über Tolkien wissen möchte und sich für seine Schriften außerhalb des Kosmos von Mittelerde interessiert, dürfte die Anschaffung nicht bereuen.

Da ich auf meinem Blog jedoch nicht nur Bücher vorstellen, sondern sie auch theologisch reflektieren möchte, füge ich noch ein paar Schlussgedanken an.

Worte der Hoffnung vom Weihnachtsmann oder Christus?

Nachdem was ich von Tolkien weiß, war er Christ, der seinen Glauben ernst nahm, so wie ich auch. Auch wenn Tolkien Katholik war und ich als Reformierter in vielem nicht mit ihm einer Meinung bin, so ist es für mich eine grundsätzliche Frage, ob Christen ihren Kindern überhaupt vom Weihnachtsmann erzählen sollen? Meiner Meinung nach muss Christus im Zentrum stehen, nicht nur an Weihnachten, aber insbesondere dann auch.

Natürlich können Leser zwischen Fantasie (Weihnachtsmann) und der Realität (Christus) unterscheiden und jedes für sich stehen lassen. Und ich vermute mal, dass Tolkien, als gläubiger Katholik, seinen Kindern nicht nur vom Weihnachtsmann erzählte, sondern das sie wussten, warum wir Weihnachten feiern.

Im letzten Brief an seine Tochter Priscilla, geschrieben vor dem Hintergrund des zweiten Weltkrieges, im Jahre 1943, schrieb der Weihnachtsmann:

Von meinen Boten weiß ich, dass die Menschen dieses Jahr als „grimm“ bezeichnen. Ich glaube, sie meinen elend, und das ist es auch, vielerorts, wo ich sonst sehr gerne hingegangen bin. Aber es freut mich sehr, dass Dich der Mut noch nicht verlassen hat! Kopf hoch! Ich bin noch immer quicklebendig, und ich komme bald wieder, so vergnügt wie eh und je. In meinem Reich ist nichts zerstört, und obwohl meine Vorräte knapp werden, hoffe ich doch, bald etwas dagegen tun zu können. (S.189)

Ich kann gut nachvollziehen, dass Tolkien mit diesen Briefen seinen Kindern eine Freude machen wollte und vom literarischen Aspekt her gesehen sind sie gut und unterhaltsam geschrieben.

Doch ich hoffe, dass Tolkien seinen Kindern vor allem von dem erzählt hat, der das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende ist (Offb 22,13), dessen Reich ein ewiges Reich ist und der verheißen hat, bald zu kommen (Offb 22,20). Denn als Christen glauben und vertrauen wir auf Jesus Christus – und nicht an den Weihnachtsmann!

Dankbar bin ich deshalb für die bereits erwähnten Briefe von Tolkien, in denen er u.a. von seinem christlichen Glauben und seiner Hoffnung berichtet.

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